Jazzkeller: Das neue Hörspielmusik-Album von Andris Zeiberts

Manuel Rösler

Ein Interview von Detlef Kurtz
geführt am 24. April 2001

Die bisher größte Überraschung auf den Jugendhörspielmarkt bescherte uns Edel mit der Herausgabe von Point Whitmark. Besonders ragt der Soundtrack der Serie hervor. Ein Grund mehr Manuel Rösler, den Komponisten der Titelmelodie zu interviewen!

HörNews: Wie lange arbeitest Du schon professionell im Musikbereich?

Rösler: Hmm, das ist schwer zu sagen. Wenn man "professionell" so definiert, dass man mit Musik Geld verdient, dann lautet die Antwort: Seit etwa 1988. Angefangen habe ich als Kirchenmusiker in kleinen rheinischen Dörfern (in der Nähe von Jülich) - das heißt, ich habe Orgel gespielt und Chöre geleitet. Bald kam jedoch bei mir der Ehrgeiz hinzu, meine eigene Musik für den Gottesdienst zu schreiben, die ich dann mit Freunden und Bekannten aufgeführt habe. Bezahlt wurde das - wie in der katholischen Kirche üblich - eher schlecht, aber ich konnte viel experimentieren und die Pfarrer haben mir meistens freie Hand gelassen. Ich denke mal, dass man meiner Musik schon damals eine gewisse Vorliebe für Hollywoodklänge nicht absprechen konnte. ;-)

HörNews: Welches war Deine erste "abgenommene" Arbeit?

Rösler: Die "Overbacher Messe", komponiert 1990 anlässlich des 75jährigen Bestehens des Gymnasiums Haus Overbach und von Martin te Laak mit dem Overbacher Kinderchor uraufgeführt. Honorar damals: 500,-DM oder ein Atari 1024 ST (ich hab mich für das Geld entschieden, weil ich damals einen schicken 286er haben wollte).

HörNews: Wie kommst Du an Deine Aufträge?

Rösler: Wie überall im Leben, gilt auch hier: Wenn man erstmal "drin" ist, kommen die Aufträge eigentlich von selbst. Die Schwierigkeit besteht darin, in den erlauchten Kreis der Auftragskomponisten zu gelangen. Ich hatte das Glück während meines Studiums als Komponist und Arrangeur in einem Kölner Tonstudio zu arbeiten, das unter anderem die Musik für "RTL Samstag Nacht" und andere TV-Shows produziert hat. Ich galt dort als der Klassiker (das heißt, ich konnte Noten lesen und schreiben...) und habe recht schnell die Aufträge übernommen, in denen der Einsatz eines Orchester gefragt war. 1997 habe ich mit Wieland Reissmann und Martin Ernst die Musik für die 150-Jahrfeier von Siemens in Berlin komponiert (für ein Orchester von 88 Spielern in Berlin und 35 Musiker in Tokio, New York, Kapstadt und Sydney, die über Satellit live eingespielt wurden) und galt seitdem als "Spezialist" für Großprojekte.

HörNews: Wann hast Du mit der Arbeit an den "Point Whitmark Songs" angefangen?

Rösler: Das Titelstück "Point Whitmark, N.H." war (wenn ich mich recht erinnere) Anfang 1999 fertig, als die Serie gerade entwickelt wurde. Die übrigen Titel sind im Laufe der Produktion hinzugekommen, die Orchesterstücke (insgesamt etwa 40 Minuten), sind sogar innerhalb der letzten drei Wochen vor der Aufnahme entstanden. In diesem Zusammenhang sollte ich unbedingt noch erwähnen, dass ja keineswegs der ganze Soundtrack von mir stammt, sondern dass z.B. die jazzigen Nummern aus den Feder von Markus Segschneider (der auch das Gitarrensolo in der Titelmelodie eingespielt hat) und Volker Sassenberg stammen. Mein Beitrag sind die vor allem die Orchesterstücke oder Stücke wie die aus den Teasern zu "Insel der letzten Rache" und "Villa der vergifteten Bilder".

HörNews: Die Titelmelodie von Point Whitmark erinnert ein wenig an "Picket Fences" oder Mike Post-Titel, sind US-Komponisten Vorbilder für dich, oder ist die Ähnlichkeit nur ein Zufall?

Rösler: Purer Zufall, natürlich! Nein im Ernst - Point Whitmark sollte von Anfang an einen "filmischen" Soundtrack erhalten und wenn man sich professionell mit Filmmusik beschäftigt, kommt man an den Jungs aus Hollywood nicht vorbei. Ich selbst sammle seit etwa 1988 Filmmusik (meine erste LP war - natürlich - "Return of the Jedi") und habe eigentlich keine speziellen Favoriten - wenn man von Bernard Herrmann und John Williams absieht, deren Partituren für jeden Komponisten von Filmmusik zur Pflichtlektüre gehören. Bei der Titelmelodie war die Vorgabe schon klar: Sie sollte zeitlos sein und Assoziationen an eine typische Kleinstadt an der amerikanischen Ostküste wecken. Am besten sollte man schon beim Hören die weiss verschindelten Reihenhäuser mit Doppelgerage an der kastanienbestandenen Allee vor sich sehen, an denen ein elfjähriger Zeitungsbote vorbeiradelt und einen Rentner in brauner Strickjacke grüßt, der seinen Rasen mäht... Es gab eigentlich kein bestimmtes Vorbild für das Titelthema, aber es gibt eine ganze Reihe von musikalischen "Bausteinen", die immer dann Verwendung finden, wenn amerikanische Kleinstadtidyllen in Musik gesetzt werden sollen. Dazu gehört der einleitende hohe Streicherton mit dem Klaviersolo, die seit Aaron Copland aus der amerikanischen Musik nicht mehr wegzudenkenden Sextparallelen, Country&Western-Harmonik á la John Denver und ein unaufdringliches, "cool" gespieltes Schlagzeug. Neben Picket Fences fallen mir da spontan zwei weitere Stücke ein, in denen dasselbe Rezept verwendet wird: "Hill Street Blues" von Mike Post (sic!) und "The Feather Theme" aus Forrest Gump von Alan Silvestri).

HörNews: Wie schreibt man überhaupt Musik zu einem Hörspiel? Hörst Du vorher das Hörspiel ohne Musik - wie in der Filmbranche?

Rösler: Der Unterschied zwischen Film- und Hörspielmusik besteht darin, dass man beim Film eindeutige Zeitvorgaben hat, die definitiv zu erfüllen sind: 3:47 min. "Spannung" sind eben nicht dasselbe wie 3:44 min. "Spannung". Im Film müssen zudem bestimmte auf der Leinwand sichtbare Vorgänge "getroffen" werden, also ein ganz bestimmter Takt auf ein ganz bestimmtes Bild gelegt werden (es macht keinen Sinn, wenn Darth Vaders Motiv erst dann erklingt, wenn der dunkle Lord schon wieder aus dem Bild ist und wir längst auf Luke und Leia geschnitten haben). Zudem besteht ein Film aus vielen kleinen Schnitten - ein Hörspiel hingegen aus wenigen langen Szenen. Wenn ich - wie jetzt gerade - an den Musiken für die nächsten Folgen schreibe, dann lasse ich mir die allgemeine Stimmung der Folge erzählen und entwickle dann ein "Themenpaket", also ein Hauptthema für die jeweilige Folge und davon abgeleitet etwa 1:30 lange Sequenzen für "Spannung", "Action", "Angst", "Lösung", "Finale" und so weiter. Diese Musiken können dann unter die Szene gelegt und mit den Dialogen und Geräuschen abgemischt werden. Im Prinzip gleicht dieses Verfahren dem Komponieren für Computerspiele, in denen die Musik ja auch eher einen allgemeinen Klangteppich webt.

HörNews: Gab es mehrere Versionen der Titelmelodie?

Rösler: Nein.

HörNews: Wird man dich öfter hören, vielleicht auch in anderen Produktionen?

Rösler: Zunächst einmal in den nächsten Folgen von Point Whitmark. Für den Herbst ist noch ein Konzert (mit meiner Musik) in der Kölner Philharmonie geplant, das auch etwas mit Hörspielen zu tun hat, über das ich aber noch nichts erzählen kann. Außerdem leite ich in Köln das (klassische) Vokalensemble "Equinox", mit dem wir ab Sommer konzertieren werden - einfach mal auf meiner Webseite vorbeischauen.

Das Interview wurde im Oktober 2022 von Felix Bartling auf die neue HörNews-Webseite übertragen.